„Potenzial zum Top-4-Lieferant“

Herr Weltz, der Badische Winzerkeller (BWK) befindet sich im 70. Jubiläumsjahr: Wie haben Sie bislang dieses Jahr gefeiert?

Wir haben nicht gefeiert, wir haben versucht zu verstehen, wer wir sind, was wir besonders gut können, was die Gründungssatzung von uns erwartet hat und ob wir diesem Geschäftszweck noch gerecht werden können oder diesen ggf. adjustieren müssen. Chronik führt zu Charta. Wir haben unsere Kommunikation intern als auch extern überarbeitet, unser Unternehmen einer Inventur unterzogen und uns gefragt, was unser Alleinstellungsmerkmal ist. Können wir etwas besser als andere und wenn ja was? Wir glauben bislang, dass unsere Stärke allein auf unserer badischen Herkunft beruht. Wichtigste Erkenntnis ist aber, dass wir uns im Sortiment von der rein badischen Herkunft entkoppeln können, denn unsere Kellermeister sind spezialisiert darauf, tollen Wein zu entwickeln, nicht nur badischen. Am 04.05.22 haben wir im Rahmen des Tages der Offenen Tür unseren Winzer unsere neue Verfassung vorgestellt, unsere BWK Charta, in der wir in 12 Grundsätzen darlegen, wie wir in Zukunft handeln wollen, welche Werte für uns im Mittelpunkt stehen.

 Wie gut hat der BWK die Corona-Pandemie überstanden?

Wir haben die Coronakrise gespürt, unsere ertragsstarken Geschäftsbeziehungen in die Bereiche Gastronomie und Fachhandel haben abgenommen, Kunden haben aufgegeben. Wir haben die schwierigen Zeiten genutzt,  Marken und Märkte neu zu formulieren. Dabei haben wir für uns festgelegt, dass wir auch in Zukunft über unsere Partner insbesondere in den Bereichen Gastronomie und Fachmarkt den Zugang zum Konsument erhalten und ausbauen wollen.


Was waren die größten Herausforderungen?

Die Warenverfügbarkeit, fehlende Planbarkeit, mal Kurzarbeit, dann wieder Mehrschichtbetrieb bei phasenweiser Öffnung der Gastronomie oder auch Veranstaltungen, dann wieder Kommando zurück und dann das ganze wieder von vorn. Stets maximale Flexibilität wurde von uns als Erzeuger abgefordert. Gleichzeitig haben wir enormen Kostendruck nach innen zu kompensieren, keine einfache Zeit. 

 

Konnte der BWK vom Boom im LEH während der Pandemie profitieren?

Ja, in den Bereichen LEH und phasenweise im ersten Jahr der Krise, also 2020, haben wir eine Sonderkonjunktur auch für unsere Marken erlebt. Das hat sich dann in 2021 insbesondere auch durch die geringen Ernten in Baden geglättet, wir liegen insgesamt noch unter dem Niveau 2019. Wichtigerer Maßstab als in der Vergangenheit ist für uns inzwischen aber auch die Deckungsbeitragsstärke unserer Produkte. Eine wichtige Schlussfolgerung bleibt daher für uns, weiter in unsere seit Jahren erfolgreiche Marken wie MARTIN SCHONGAUER zu investieren. Insofern sind Marken in Krisenzeiten für den Verbraucher ein wichtiger Vertrauensanker und stehen für 26 % des Marktes. Dies reflektieren wir auch in unserer BWK-Charta mit Punkt 8 : „Wir entwickeln Marken und verkaufen bundesweit.“

 Welche Ausmaße hat nun die neue Krise, die seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine entstanden ist?

Für uns ist das möglicherweise die größte Herausforderung unserer 70 jährigen Unternehmensgeschichte! Ein mittelständisches Unternehmen wie wir hat weniger Diversifizierungsoptionen als Unternehmen, die bereits in unterschiedlichen Kategorien aktiv sind. Demnach liegt unser Focus darauf, unsere Durchschnittserlöse soweit zu erhöhen, dass wir bei gleichzeitigem striktem Kostenmanagement die Profitabilität zumindest halten können. Tatsächlich muss man sagen, dass uns das in den letzten Jahren schon ohne Krise nicht gelungen ist - aber! - wir kommen voran. Wir haben in den letzten 2 Jahren unsere betrieblichen Aufwendungen deutlich reduzieren können, bspw. unsere Personalkosten um 2 Mio. €. Es ist ein harter Weg! Die Kostensteigerungen durch die Ukrainekrise beziffern sich für uns auf jährlich einen 7stelligen Betrag.

 Was nehmen Sie im 70. Jubiläumsjahr aus der Vergangenheit mit, wo steht die Genossenschaft gegenwärtig und wo soll es künftig stehen?

Erstens: Gemeinschaft, zweitens: Transformation und drittens: Aufbruch mit unserer aktuellen Entwicklung zu einem modernen und digitalisierten Unternehmen mit badischer Herkunft. Der Badische Winzerkeller hat das Potential, zu den TOP 4 Lieferanten in der deutschen Weinbranche zu werden.

 Wie weit sind Sie mit der Maßnahme vorangeschritten, die gut 1.500 verschiedenen Artikel im Sortiment zu reduzieren?

In unserer Bestandaufnahme haben wir insgesamt 1.488 Artikel identifiziert, die wir regelmäßig produzieren, allerdings etwas weniger regelmäßig und zum Teil mit geringen oder fehlenden Deckungsbeiträgen verkaufen. Komplexität, mangelnde effiziente Auslastung unserer Anlagen, unzureichende Konsumentenrelevanz ganzer Produktgruppen und die z.T. fehlende Profitabilität haben wir über unser TOP 10 Artikel Projekt überprüft. Wir haben Teilprojekte gebildet und die Teilprojektgruppen kamen in einer 3 monatigen Analysezeit zu dem Ergebnis, dass wir mit nur 432 Artikel den gleichen DB erzielen. Das ist unser Ziel bis Mitte 2023. Aktuell sind wir bei 902 Artikeln, d.h. die Hälfte ist bereits geschafft. Die Umsetzung der Projekte ist der Schlüssel für ein wirtschaftliches Sortiment.

 Welche Rolle spielt das Traubengeld im Zusammenhang mit der Konsolidierung der Genossenschaft?

Wir werden am Traubengeld gemessen, das ist und wird immer so bleiben! Im ersten Schritt haben wir mit unseren Winzern, also unseren Inhabern, vereinbart, dass wir alle Maßnahmen genau erklären und deutlich darlegen, ob sie auf das Traubengeld einzahlen. Wir führen online Informationsveranstaltungen mit unseren Winzern durch, in denen wir darlegen, warum wir bspw. aus der Badischen Weinwerbung ausgetreten sind. Auf dem neu entwickelten virtuellen Kontoauszug sieht der Winzer den Wegfall der badischen Werbung mit 100 € auf seinem Konto beziffert. Das mag sich nicht viel anhören, aber es gibt eben nicht die eine Initiative, die dem Winzer 3.000 €/ha mehr bringt. Die Steigerung des Traubengeldes ist ein jahrelanger Prozess, der eine riesige Herausforderung für uns ist. Aber ich glaube die Winzer spüren, dass wir als Team des Badischer Winzerkeller durch harte Arbeit die Ergebnisse verbessern wollen und werden.

 Was versprechen Sie sich in Zukunft davon, Wein in Zukunft in Mehrwegflaschen zu vermarkten?

Das bisherige MW (Kuki) Geschäft ist sehr regional und BAWÜ beschränkt. Es ist dem Charakter nach kein Kreislaufsystem, da aufgrund der Bruchquote ununterbrochen Neuglas eingespeist wird, der Anteil Spülglas sinkt jährlich und ist für die Hersteller defizitär. Ich bin ein großer Fan des Mehrweggebindes und möchte dabei helfen, Poolgebinde zu etablieren, die möglicherweise an bestehende Systeme angekoppelt werden können. Die Vorteile liegen auf der Hand: Stärkung der CO2 Bilanz, Sortimente vereinfachen und dabei den Bedarf an Neuglas deutlich zu reduzieren – ich glaube, dann profitieren alle Marktteilnehmer.

 Gibt es neue Vertriebskanäle, die in Zukunft intensiver bearbeitet werden sollen?

Der BWK möchte die Sicht- und Verfügbarkeit seiner Produkte ausbauen, da arbeiten wir mit bestehenden Artikeln. Nach unserer Sortimentsüberarbeitung und Neudefinition mit Standard- und Impulsartikeln werden wir unser channel-spezifisches Know-how weiterentwickeln und entsprechende Aktivierungsprogramme aufsetzen. Zudem werden wir unsere Beratungskompetenz deutlich ausbauen und uns so als leistungsfähigerer Partner positionieren. Dabei liegt ein Schwerpunkt in den Bereichen Gastronomie und Fachhandel.

 Wie weit hat sich der BWK mit dem Thema D2C auseinandergesetzt?

Wir haben alle Channel für uns analysiert und definiert. Dabei werden wir künftig nur investieren, wenn wir eine Profitabilitätsperspektive sehen. So gesehen betreiben wir gerade Basisarbeit. Im Bereich D2C starten wir in unserem Weinverkauf vor Ort in Breisach und konzentrieren uns auch bei unseren 28 Weinhöfen unserer Winzergenossenschaften auf die Bausteine Sortimentsführung, Komplexitätsreduzierung und Profitabilität. So geht das für uns.

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